Bildung muss den Schülern Spaß machen und dem Staat etwas wert sein!
Inzwischen sollte auch dem Letzten klar geworden sein, wie wichtig Bildung für eine moderne, offene Gesellschaft und eine stabile Wirtschaft ist.
Nur… was nützt alle Erkenntnis, wenn inkompetente Politiker in Sachen Bildungsreform seit Jahrzehnten kaum einen Schritt vorwärts gehen.
Das Bildungssystem genießt in der deutschen Politik eher symbolischen Stellenwert, so scheint mir. Ein paar neue Stellen für Lehrkräfte hier, ein paar populistische Sprüche da; aber wenn es um tiefgreifende Reformen geht, wird gezögert.
Dabei wäre es allerhöchste Zeit: Die im dreijährigen Rhythmus stattfindenden PISA-Studien bescheinigen deutschen Schülern in den Bereichen Naturwissenschaften, Mathematik und Lesen allenfalls einen Platz im Mittelfeld knapp über dem OECD-Durchschnitt.
PISA ist die Abkürzung für „Programme for International Student Assessment“, auf Deutsch etwa „Programm zur internationalen Schülerbewertung“. Die Initiative entstand unter Federführung der OECD (Organization of Economic Co-Operation and Development), einer der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichteten Organisation aus 38 Staaten.
Wie man Schule besser machen könnte
Aber ich möchte an dieser Stelle nicht den Status quo darlegen und in das Klagelied der bildungspolitischen Misere einstimmen. Vielmehr will ich im Folgenden einige Denkanstöße für eine Reform des deutschen Bildungssystems liefern.
Und nein, ich werde das Thema Finanzierung hier ausdrücklich nicht ansprechen. Das Schulwesen gehört für mich zu den grundlegenden Aufgaben eines Staates. Wenn wir Milliarden für Wirtschaftsförderung und Militär ausgeben können, dann erst recht für Bildung!
Bessere Ausbildung der Lehrkräfte
Pädagogen sollten regelmäßig an fachspezifischen Fortbildungen teilnehmen müssen, um mit dem aktuellen Stand der Technik und der Wissenschaft Schritt halten zu können.
Nur allzu häufig wird an den Anforderungen der Arbeitswelt vorbei unterrichtet oder veraltetes Wissen weitergegeben. Insbesonders in den naturwissenschaftlichen Fächern, aber auch beispielsweise in Informatik und Ökonomie.
Fortbildungen sollten aber auch die Stärkung sozialer Kompetenzen der Lehrkräfte ins Visier nehmen. Wir brauchen Lehrerinnen und Lehrer, die auf Augenhöhe mit ihren Schülern agieren:
Lehrer als Menschen, die in der Lage sind, Wissen spannend wie verständlich zu vermitteln und andere für Neues zu begeistern. Gleichzeitig müssen sie fähig sein, Konflikte zu schlichten und als Mediatoren auch zwischen Schule und Eltern zu vermitteln.
Für mich stellt sich somit gar nicht die Frage nach „mehr Lehrkräften“, sondern nach „besseren Lehrkräften“. Qualität vor Quantität sollte das Motto sein.
Eine Herausforderung liegt im starren Beamtenapparat – so waren im Jahr 2010 in zwölf von 16 Bundesländern über 70 % der Lehrkräfte verbeamtet. Dieser bringt seinen Mitgliedern viele (finanzielle wie arbeitsrechtliche) Vorteile, jedoch legt er ihnen vergleichsweise nur wenige Pflichten auf.
Frühestmögliche, individuelle Förderung
Die Schulzeit wirkt sich für viele Menschen nachhaltig auf ihre Persönlichkeit und ihre individuelle Entwicklung aus. Was hier getan oder unterlassen wird, hat mitunter lebenslange Konsequenzen:
Bedenkt man die Leichtfertigkeit im Umgang mit dem deutschen Schulwesen, so habe ich den Eindruck, dass vielen politisch Verantwortlichen die Zukunft junger Menschen unwichtig ist.
Starre Lehrpläne, die Wissen wie im Akkord in die Köpfe einhämmern, das einmal abgefragt und dann nach der Prüfung wieder vergessen werden darf. So sieht Schule in Deutschland aus – kein Wunder, dass Schule für viele Schüler Frust bedeutet, in dem sie wenig Sinn erkennen!
Natürlich ist es essentiell, allgemeine Grundkenntnisse in Sachen Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften zu vermitteln. Ganz klar, dieses Basiswissen ist ein Muss. Lesen, Schreiben und logisches Denken bilden nun einmal die Grundlagen für das Erlernen komplexerer Fähigkeiten.
Was wir aber nicht brauchen, sind starre, unflexible Lehrpläne! Schüler müssen in der Lage sein, „unliebsame“ Fächer frühzeitig abzuwählen, um sich stattdessen auf ihre bevorzugten Interessen zu konzentrieren.
Ich behaupte sogar, dass wir spätestens ab der 5. Klasse individuelle Lehrpläne für jeden einzelnen Schüler bräuchten. Denn nur so kann man Begabungen fördern und die Lust am Lernen erhalten.
Moderne Lehrpläne – Fokus auf Humanismus und Ethik
Schulen benötigen eine staatliche Zulassung – und das ist auch gut so.
Nur leider mischen im Bildungsbetrieb auch Kirchen und andere „Weltanschauungs-Unternehmen“ mit, die ihre eigenen, durchaus problematischen Philosophien leicht beeinflussbaren jungen Menschen aufzwingen möchten. Das müssen wir verhindern!
Abschaffung des Religionsunterrichts
Religion ist Privatsache und hat daher nichts in der Schulzeit zu suchen.
Schulen dürfen nicht dazu missbraucht werden, neue Mitglieder für irgendwelche Weltanschauungen zu rekrutieren. Die erzwungene religiöse Indoktrination von Kindern ist eine Form geistiger Körperverletzung. Ausrufezeichen!
Vielmehr benötigen wir einen neuen Ethik-Unterricht, der atheistische und humanistische Grundwerte als Basis eines gemeinsamen Miteinanders unterschiedlicher Kulturen vermittelt.
Stärkere staatliche Aufsicht
Träger nicht-staatlicher Schulen müssen dazu verpflichtet werden, politische wie weltanschaulich neutrale Standpunkte zu vertreten. Nochmal: Der Staat muss junge Menschen vor dem Zugriff religiöser und weltanschaulich manipulativer Organisationen schützen.
Moderne Lehrpläne – mehr Medienkompetenz und IT
Last but not least benötigen wir dringend mehr Medienkompetenz in der Bevölkerung. Und die fängt nun einmal in der Schule an.
Auch der Informatik-Unterricht sowie die Nutzung (neuer) Medien muss verstärkt in den Fokus der Bildungspolitik rücken. Das Internet, soziale Medien, künstliche Intelligenz – Schulen müssen in diesen Bereichen Kompetenzen vermitteln können.
Das erfordert aber qualifizierte Lehrkräfte, die sich nicht davor scheuen, immer wieder selbst zu Schülern zu werden und Neues zu lernen.
Mehr Home-Schooling
Durch die Corona-Pandemie rückte endlich auch das Home-Schooling vermehrt in den Fokus der Aufmerksamkeit und erwies sich tatsächlich als großer Erfolg. Auch, wenn anfangs nur wenige Schulen über die technische Ausstattung verfügten.
Schule von zu Hause aus – das ist in meinen Augen ein Zukunftsmodell!
Vor allem in den höheren Jahrgangsstufen sehe ich Präsenzunterricht als nicht notwendig an. Es ist doch wesentlich effizienter und zielführender, von zu Hause aus zu lernen – am besten zu frei einteilbaren Zeiten, die den individuellen Lerngewohnheiten jedes Einzelnen näher kommen.
Mein Fazit
Je öfter ich diesen Beitrag während der Bearbeitung durchgelesen habe, umso tiefer meine Überzeugung, dass das deutsche Schulsystem grundlegend reformiert werden muss. Nicht morgen, nicht heute, sondern jetzt in dieser Minute!
Leider dürfte die dafür notwendige politische Kooperation zwischen Bundesländern, Bundesregierung und diversen Lobbygruppen am Vorhandensein vieler konträrer Einzelinteressen und blanker Inkompetenz scheitern. Heute, morgen und die nächsten Jahre.
Die deutschen Schüler tun mir leid.
Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: Februar 2024