Warum Journalismus personenbezogene Werbung braucht

Hallo Max Mustermann (25 Jahre, männlich, Single, wohnt seit sechs Jahren in 12345 Musterdorf zur Miete, arbeitet Vollzeit als Lagerist beim führenden Hersteller selbstdichtender Schaftbolzen, absoluter Technik-Freak, Vegetarier, Motorradfahrer, Jogger, spielt Gitarre, mag Hunde), dieser Artikel ist speziell nur für Dich…

Immer wieder flammt die kontroverse Diskussion auf, ob Online-Medien personenbezogene Werbung überhaupt benötigen? Sie diene ja nur den Unternehmen, um gläserne Konsumenten zu schaffen, denen man mit ein paar psychologischen Tricks jeden Krempel teuer verkaufen könne.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht gilt personenbezogene Werbung oft als das digitalisierte Böse. Glücklicherweise konnten unsere besorgten Datenbeschützenden sogar technische Notwendigkeiten wie IP-Adressen zum personenbezogenen Datum erklären!

Ja, das ist Ironie gepaart mit Sarkasmus!

Datenschutz kostet… Jobs und Meinungsvielfalt

Nichts auf dieser Welt ist kostenlos, auch im Internet kann kein Journalist allein von seiner Buchstabensuppe und den mickrigen Vergütungen aus Verwertungsrechten leben.

Wir – und das sage ich als erfahrener Publisher – brauchen Werbung wie Menschen die Luft zum Atmen. Für den Erhalt einer vielfältigen Medienlandschaft sind Werbeeinnahmen unverzichtbar.

Je nach Ausgestaltung der Online-Angebote stören die Werbebanner beim Lesen, gar keine Frage. Aber schlechte Implementierungen als Haudrauf-Argument zu bringen, ist ja nicht sinnvoll. Wie soll es denn sonst gehen?

Wer abonniert denn schon zig Medienangebote, die vielleicht zwei- oder dreimal wöchentlich besucht werden? Oder wie wäre es mit der von manchen Politikern geforderte „Kulturflatrate“ als Lösung aller Finanzprobleme? Na, viel Spaß bei den folgenden Verteilungskämpfen!

Besonders kleinere Publisher mit wenig Reichweite sind auf Werbung angewiesen: Sie müssen nämlich nicht nur ihre Ausgaben bestreiten, sondern auch jeden Tag gegenüber dem mit Zwangsgeldern gut finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestehen. Dieser streckt seine Tentakel schon lange weit in Bereiche abseits des vom Gesetzgeber verankerten Grundversorgungsauftrags aus.

Hinzu kommt die Konkurrenz durch große Medienkonzerne, die mit zig Marken einen journalistischen Einheitsbrei unters Volk bringen, der kleinere, dafür kreativere Publisher verhungern lässt. Und mittelfristig zu gefährlichen Meinungsmonopolen führt (sofern diese nicht bereits der öffentlich-rechtliche Rundfunk besetzt).

Vorteile personenbezogener Werbung

Werbung, die nicht getrackt werden darf und die nicht personenbezogen ausgespielt wird, kommt mit erheblichen Streuverlusten einher. Große Plattformen und Medienangebote können dies einfacher ausgleichen. Kleine nicht.

Personenbezogene Werbung bietet aber auch ein besseres Targeting auf die jeweilige Zielgruppe einer Website. Sie ist für den Leser interessanter und bietet im Idealfall sogar einen Mehrwert. Ja, auch das kann Werbung.

Und eine Auswertung? Tja, sowohl werbetreibende Unternehmen als auch die dahinterstehenden Agenturen und Publisher benötigen Informationen darüber, bei wem welche Werbebotschaft ankommt.

Das hier zwangsweise immer personenbezogene Daten im Spiel sind, ist einerseits dem System geschuldet. Andererseits aber auch der engen Definition eines „personenbezogenen“ Datums durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Ich sage nur „IP-Adresse“.

Datenschutz ist wichtig… aber an anderer Stelle.

Datenschutz mit fragwürdigen Ausnahmen

Haben Sie mal ein bisschen in der DSGVO gelesen? Nein, dann darf ich aus Artikel 2 Absatz 2 DSGVO („sachlicher Anwendungsbereich“) zitieren:

Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten […]  durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

Und nein, darunter fallen nicht nur die von Hardlinern gerne genommenen Raubmordkinderschänderdrogenterroristen – sondern immer genau das, was die jeweils machthabende Regierung als „Straftat“ definiert.

Aber es kommt noch besser. Artikel 91 DSGVO wurde sogar nur für Organisationen im religiösen Bereich geschaffen. Es gilt hier der Erwägungsgrund 165:

Keine Beeinträchtigung des Status der Kirchen und religiösen Vereinigungen.

Die Aufsicht über datenschutzrechtliche Belange der Glaubenskonzerne dürfen dabei sogar die Einrichtungen selbst bestimmen (siehe Artikel 91 Absatz 2 DSGVO).

Wenn Sie mich fragen, brauchen wir nicht mehr Schutz gegen personenbezogene Werbung, sondern mehr Schutz gegen die Datensammelwut staatlicher wie nicht-staatlicher Organisationen. Diese agieren unter dem Deckmantel der DSGVO nämlich ziemlich freizügig.

Forderungen zur DSGVO

Grundsätzlich wäre es höchste Zeit, die DSGVO zu überarbeiten und das überbordende Schutzniveau zu lockern:

Es müssen einfachere, praxistaugliche Regeln her, die kleine Publisher (einschließlich kleiner Unternehmen wie Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe mit weniger als zehn Angestellten, Solo-Selbständige und Freiberufler) entlasten.

Ansonsten setzt sich das fort, was ich seit Einführung der DSGVO jeden Tag erlebe:

Die Erosion unserer bis dato vielfältigen Medienlandschaft – und am Ende bleiben eine Handvoll mächtige Medienkonzerne sowie die Öffentlich-Rechtlichen übrig.

Das kann niemand wollen.


Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: April 2024