Wie kann eine Gesellschaft auf die Herausforderungen der Zukunft am effizientesten reagieren und trotzdem die Teilhabe aller an der politischen Willensbildung ermöglichen?
Eine provokante These, der ich gleich eine weitere, nicht weniger provokante Frage zur Seite stellen möchte: »Sollten demokratisch gewählte Vertreter nur noch repräsentative Aufgaben erfüllen?«
Fakt ist, der Staat sieht sich heute einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber:
- Erhalt sozialer Sicherungssysteme und deren langfristige Finanzierung
- Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in globalisierten Märkten
- Aufbau eines zukunftsfähigen Bildungswesens
- verantwortungsvolle, auf ethischen Werten basierende Außen- und Verteidigungspolitik
Diese Themen sind inzwischen Teil eines jeden Parteiprogramms, unabhängig davon, welcher politischen Ausrichtung die jeweilige Vereinigung angehört.
Und das ist auch gut so, denn es zeigt, dass die meisten Politiker zumindest den Kern zukünftiger Herausforderungen verstanden haben. Allerdings sind die Lösungsansätze jeweils stark von den eigenen politischen Anschauungen geprägt.
Und das ist das Problem. Anstelle gemeinsam nach zukunftsfähigen Lösungen zu suchen und konstruktiv zu diskutieren, werden wichtige Themen oft erst einmal politisch ausgebeutet, es werden Feindbilder aufgebaut, für die nächste Wahl taktiert und der politische Gegner mit allen Mitteln in Verruf gebracht.
Auf diese Weise verschwenden Regierungsverantwortliche wie Opposition jede Menge Zeit, bis eine Aufgabe tatsächlich angegangen wird (und dies mehr oder weniger konstruktiv, da einzelne Lösungsvorschläge oft nachwievor politisch geprägt sind).
Gefährliche direkte Demokratie
Immer wieder flammen Forderungen nach „direkter Demokratie“ auf, also nach Entscheidungen in Form rechtlich bindender Bürgerentscheide.
Diese Form der Demokratie halte ich für brandgefährlich, da hier mit Emotionen gespielt wird: Gesetze sollen geändert oder neu eingeführt werden, meist aufgrund aktueller Ereignisse, die noch kurz zuvor unreflektiert und panikartig durch die Medienlandschaft getrieben wurden.
Vielen Stimmberechtigten fehlt das Hintergrundwissen (und fachlicher Kompetenz gar nicht zu sprechen), um sich ein vollumfängliches Bild der jeweiligen Problematik und die Konsequenzen der zu treffenden Entscheidungen machen zu können.
Oft gewinnt die Forderung bei einem Bürgerentscheid, deren Anhänger am lautesten Schreien können und nicht diejenige, welche vielleicht langfristig die sinnvollere wäre. Das fördert soziale Spannungen und schadet der Gesellschaft.
Mehr Experten, weniger Politik
Es gibt aber Möglichkeiten, ohne starre Ideologien und Klientelpolitik, für eine zukunftsfähige Gesellschaft und staatliche Stabilität zu sorgen:
Wir müssen zukünftig vermehrt auf neutrales, wissenschaftlich fundiertes Wissen setzen, wenn es darum geht, politische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen zu lösen.
Mit anderen Worten: Wir brauchen weniger meinungsstarke Politiker, sondern mehr tatkräftige Wissenschaftler und Praktiker, die in ihrem jeweiligen Bereich über Fachkenntnisse verfügen und diese in eine faktenbasierte Entscheidungsfindung einbringen können.
Natürlich dürfen bei aller rational-technischen Weltsicht auch soziologische und psychologische Aspekte als „weiche Faktoren“ der Regierungsarbeit nicht vernachlässigt werden. Auch das muss in den entsprechenden Gremien sichergestellt werden.
Und, wie in jeder Demokratie auch, muss das Grundgesetz mit seinen unveräußerlichen Menschenrechten über allem stehen. Dies gilt besonders, aber nicht ausschließlich, für die Rechte jedes Einzelnen auf Freiheit und Privatsphäre.
Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: Februar 2024